Leseprobe Der Fall St. Josef Eine Greiwske Spökenkiekerie
Claude LeRouge Willkommen auf der Autorenhomepage  von
Die Kita der St. Josefgemeinde machte vor dem Beginn der großen Ferien einen Tagesausflug in die Wentruper Berge. Man hatte an alles gedacht und alles Nötige mitgenommen, vom Bollerwagen bis zum Dixi Klo. Die einzelnen Gruppen der Kita hatten sich in Sichtweite, aber an verschiedenen Stellen niedergelassen. Es wurde gespielt, gesungen, gegessen und alles das gemacht, was zu einem ungewöhnlichen Kita-Tag gehört. Dann war Mittagspause. Plötzlich ein Schrei: „Kevin ist weg!” Frau Lehmkuhl, die wie immer alles im Griff hatte, beruhigte ihre Kollegin: „Erstens ist Kevin nicht allein, sondern hier bei uns. Und zweitens ist Kevin nicht zu Haus, sondern im Wald. Kevin allein zu Haus kann zur Gefahr werden, aber hier in der Kita ist er ein lieber, netter Junge.” Frau Lehmkuhl erhob sich, blickte einmal in die Runde und sagte dann beruhigend: „Da vorne kommt Kevin.” Plötzlich war aber Frau Lehmkuhl gar nicht mehr so ruhig, denn Kevin trug etwas in den Händen, was überhaupt nicht kitatauglich war: einen Totenschädel. „Guck mal, Frau Lehmkuhl, was ich gefunden habe.” Und Frau Lehmkuhl guckte mit weit geöffneten Augen. „Wo hast du das gefunden?” Sie wagte nicht, das Wort „Totenschädel” auszusprechen. Das tat dann Lisa, fünf Jahre alt, an ihrer Stelle: „Kommt mal alle her, der Kevin hat einen Totenschädel gefunden!” Blitzschnell waren alle 26 Gruppenkinder um den Totenschädel versammelt. „Wem der wohl gehört?” Ein nachdenkliches Schweigen. Dann mutmaßte Paul: „Vielleicht unserem Nachbarn. Der ist nämlich tot. Und mein Papa hat gesagt, der Heinz, also unser Nachbar, hätte eins über die Rübe bekommen. Mit ‚Rübe‘ meint Papa den Kopf.” „Also Paul, jetzt reicht es aber”, griff Frau Lehmkuhl ein. Sie hatte sich wieder gefangen. „Kevin, zeig uns doch bitte einmal, wo du dieses Ding gefunden hast.” Zielsicher führte Kevin Frau Lehmkuhl, ihre Stellvertreterin und 25 weitere Kinder sowie zwei Praktikantinnen, die den Schluss bildeten, zu einem kleinen Hügel. „Da ist ein Loch und ich konnte in den Hügel gucken”, erklärte er. Frau Lehmkuhl machte wieder große Augen. Aber Kevin hatte alles richtig erzählt. Am Fuße des Hügels hatten Tiere oder das Regenwasser ein Loch entstehen lassen, durch das man in den Hügel sehen konnte. „Ich bin reingekrochen”, erklärte Kevin, „da sind noch viele Knochen drin.” „Oh ja, lass uns alle mal reinkriechen, Frau Lehmkuhl, dann können wir uns auch die Knochen ansehen”, schlug Lisa vor. „Soweit kommt es noch”, antwortete Frau Lehmkuhl, jetzt wieder ganz ruhig und gefasst. „Es handelt sich hier um eine uralte Grabanlage. Es ist sozusagen ein Friedhof. Und da kann man nicht einfach rumspielen und hineinkriechen. Wir informieren jetzt Leute, die sich mit solchen Funden auskennen, damit sie sich das hier ansehen.” „Archologen”, meinte Kevin. „Archäologen verbesserte Frau Lehmkuhl. „Was ist das, ein Archäologe?”, fragte Emma. „Die buddeln in der Erde und kriegen dafür Geld”, erklärte Kevin. „Können Mädchen auch Archäologe werden?”, fragte Emma zurück. „Natürlich”, erklärte Frau Lehmkuhl, „du wärest dann eine Archäologin.” „Ich werde Archäologin”, versicherte Emma. „Ich buddele nämlich auch gerne.” „Ich auch!” „Ich auch!” Damit hatte die deutsche Altertumsforschung eine ganze Reihe von Nachwuchsarchäologen und Nachwuchsarchäologinnen gewonnen. „Aber zunächst gehen wir zurück zu unserem Platz. Ich muss einmal mit der Stadt telefonieren, um zu erfahren, wo im Augenblick in Greven gebuddelt wird.” Gebuddelt wurde in nur einem Kilometer Entfernung, nämlich in Pentrup. Dort hatte man schon massenhaft Scherben aus dem Boden geholt. Nach einer kurzen Beratung nahm eine der Praktikantinnen ihr Fahrrad und radelte los. Nach einer guten halben Stunde kam sie in Begleitung zurück, sie auf ihrem Fahrrad, zwei Archäologen in einem uralten Geländewagen. Vielleicht ist das ein Standeszeichen für Archäologen, siehe Indiana Jones. Die Praktikantin stellte die beiden vor: „Herr Prof. Dr. Habe- nicht-Breitscheid und Frau Dr. Kampmann. Frau Lehmkuhl, die Leiterin der Kita und der kleine Junge dort, das ist Kevin, ein Junge mit Forscherdrang.” Frau Dr. Kampmann, ziemlich jung und sehr hübsch, ging auf Kevin zu. „Dann zeig uns einmal, was du gefunden hast.” Kevin nahm die Frau Doktor an die Hand und führte sie zur besagten Stelle. Der Herr Professor folgte mit der gesamten Kita-Schar. „Sehen Sie dort, da habe ich den Schädel wieder hingelegt, damit er nicht verloren geht.” Die Frau Doktor nahm den Schädel auf, begutachtete ihn und gab ihn mit einem Lächeln an ihren Chef weiter. Dann nahm sie eine große Taschenlampe, die sie mitgebracht hatte, und zwängte sich in die Öffnung. Es dauerte etwa zwei Minuten, dann erschien sie wieder – mit einem weiteren Schädel. Sie hielt ihn hoch und zeigte ihn Frau Lehmkuhl. „Sehen Sie den Unterschied?” „Nun ja, die Farbe. Kevins Schädel ist fast weiß, der, den Sie gefunden haben, ist dunkler, bräunlich.” „Genau darum geht es. Dieser Schädel hier ist 4 - 5 Tausend Jahre alt. Kevins keine 100 Jahre. Grob geschätzt 60 - 70 Jahre. Mein Schädel ist ein Fall für uns, ein wirklich gut erhaltenes Grab mit sechs oder sieben Skeletten. Kevins Schädel ist ein Fall für die Polizei.” Der Herr Professor strahlte. „Diese Dame ist exzellent. Habe ich allerdings auch ausgebildet. Kevin, was willst du einmal werden?” „Archäologe, das ist doch klar.” „Bravo! Frau Lehmkuhl, wir benachrichtigen sofort die Polizei. Uns glaubt man. Bei Ihnen würden die vermuten, dass Sie einen menschlichen Schädel nicht von einem Tierschädel unterscheiden können. Kevin, du hast alles richtig gemacht.” Kevin strahlte mit der Sonne um die Wette.
Leseprobe Der Fall St. Josef Eine Greiwske Spökenkiekerie
Claude LeRouge Willkommen auf der Autorenhomepage  von
Die Kita der St. Josefgemeinde machte vor dem Beginn der großen Ferien einen Tagesausflug in die Wentruper Berge. Man hatte an alles gedacht und alles Nötige mitgenommen, vom Bollerwagen bis zum Dixi Klo. Die einzelnen Gruppen der Kita hatten sich in Sichtweite, aber an verschiedenen Stellen niedergelassen. Es wurde gespielt, gesungen, gegessen und alles das gemacht, was zu einem ungewöhnlichen Kita-Tag gehört. Dann war Mittagspause. Plötzlich ein Schrei: „Kevin ist weg!” Frau Lehmkuhl, die wie immer alles im Griff hatte, beruhigte ihre Kollegin: „Erstens ist Kevin nicht allein, sondern hier bei uns. Und zweitens ist Kevin nicht zu Haus, sondern im Wald. Kevin allein zu Haus kann zur Gefahr werden, aber hier in der Kita ist er ein lieber, netter Junge.” Frau Lehmkuhl erhob sich, blickte einmal in die Runde und sagte dann beruhigend: „Da vorne kommt Kevin.” Plötzlich war aber Frau Lehmkuhl gar nicht mehr so ruhig, denn Kevin trug etwas in den Händen, was überhaupt nicht kitatauglich war: einen Totenschädel. „Guck mal, Frau Lehmkuhl, was ich gefunden habe.” Und Frau Lehmkuhl guckte mit weit geöffneten Augen. „Wo hast du das gefunden?” Sie wagte nicht, das Wort „Totenschädel” auszusprechen. Das tat dann Lisa, fünf Jahre alt, an ihrer Stelle: „Kommt mal alle her, der Kevin hat einen Totenschädel gefunden!” Blitzschnell waren alle 26 Gruppenkinder um den Totenschädel versammelt. „Wem der wohl gehört?” Ein nachdenkliches Schweigen. Dann mutmaßte Paul: „Vielleicht unserem Nachbarn. Der ist nämlich tot. Und mein Papa hat gesagt, der Heinz, also unser Nachbar, hätte eins über die Rübe bekommen. Mit ‚Rübe‘ meint Papa den Kopf.” „Also Paul, jetzt reicht es aber”, griff Frau Lehmkuhl ein. Sie hatte sich wieder gefangen. „Kevin, zeig uns doch bitte einmal, wo du dieses Ding gefunden hast.” Zielsicher führte Kevin Frau Lehmkuhl, ihre Stellvertreterin und 25 weitere Kinder sowie zwei Praktikantinnen, die den Schluss bildeten, zu einem kleinen Hügel. „Da ist ein Loch und ich konnte in den Hügel gucken”, erklärte er. Frau Lehmkuhl machte wieder große Augen. Aber Kevin hatte alles richtig erzählt. Am Fuße des Hügels hatten Tiere oder das Regenwasser ein Loch entstehen lassen, durch das man in den Hügel sehen konnte. „Ich bin reingekrochen”, erklärte Kevin, „da sind noch viele Knochen drin.” „Oh ja, lass uns alle mal reinkriechen, Frau Lehmkuhl, dann können wir uns auch die Knochen ansehen”, schlug Lisa vor. „Soweit kommt es noch”, antwortete Frau Lehmkuhl, jetzt wieder ganz ruhig und gefasst. „Es handelt sich hier um eine uralte Grabanlage. Es ist sozusagen ein Friedhof. Und da kann man nicht einfach rumspielen und hineinkriechen. Wir informieren jetzt Leute, die sich mit solchen Funden auskennen, damit sie sich das hier ansehen.” „Archologen”, meinte Kevin. „Archäologen verbesserte Frau Lehmkuhl. „Was ist das, ein Archäologe?”, fragte Emma. „Die buddeln in der Erde und kriegen dafür Geld”, erklärte Kevin. „Können Mädchen auch Archäologe werden?”, fragte Emma zurück. „Natürlich”, erklärte Frau Lehmkuhl, „du wärest dann eine Archäologin.” „Ich werde Archäologin”, versicherte Emma. „Ich buddele nämlich auch gerne.” „Ich auch!” „Ich auch!” Damit hatte die deutsche Altertumsforschung eine ganze Reihe von Nachwuchsarchäologen und Nachwuchsarchäologinnen gewonnen. „Aber zunächst gehen wir zurück zu unserem Platz. Ich muss einmal mit der Stadt telefonieren, um zu erfahren, wo im Augenblick in Greven gebuddelt wird.” Gebuddelt wurde in nur einem Kilometer Entfernung, nämlich in Pentrup. Dort hatte man schon massenhaft Scherben aus dem Boden geholt. Nach einer kurzen Beratung nahm eine der Praktikantinnen ihr Fahrrad und radelte los. Nach einer guten halben Stunde kam sie in Begleitung zurück, sie auf ihrem Fahrrad, zwei Archäologen in einem uralten Geländewagen. Vielleicht ist das ein Standeszeichen für Archäologen, siehe Indiana Jones. Die Praktikantin stellte die beiden vor: „Herr Prof. Dr. Habe- nicht-Breitscheid und Frau Dr. Kampmann. Frau Lehmkuhl, die Leiterin der Kita und der kleine Junge dort, das ist Kevin, ein Junge mit Forscherdrang.” Frau Dr. Kampmann, ziemlich jung und sehr hübsch, ging auf Kevin zu. „Dann zeig uns einmal, was du gefunden hast.” Kevin nahm die Frau Doktor an die Hand und führte sie zur besagten Stelle. Der Herr Professor folgte mit der gesamten Kita-Schar. „Sehen Sie dort, da habe ich den Schädel wieder hingelegt, damit er nicht verloren geht.” Die Frau Doktor nahm den Schädel auf, begutachtete ihn und gab ihn mit einem Lächeln an ihren Chef weiter. Dann nahm sie eine große Taschenlampe, die sie mitgebracht hatte, und zwängte sich in die Öffnung. Es dauerte etwa zwei Minuten, dann erschien sie wieder – mit einem weiteren Schädel. Sie hielt ihn hoch und zeigte ihn Frau Lehmkuhl. „Sehen Sie den Unterschied?” „Nun ja, die Farbe. Kevins Schädel ist fast weiß, der, den Sie gefunden haben, ist dunkler, bräunlich.” „Genau darum geht es. Dieser Schädel hier ist 4 - 5 Tausend Jahre alt. Kevins keine 100 Jahre. Grob geschätzt 60 - 70 Jahre. Mein Schädel ist ein Fall für uns, ein wirklich gut erhaltenes Grab mit sechs oder sieben Skeletten. Kevins Schädel ist ein Fall für die Polizei.” Der Herr Professor strahlte. „Diese Dame ist exzellent. Habe ich allerdings auch ausgebildet. Kevin, was willst du einmal werden?” „Archäologe, das ist doch klar.” „Bravo! Frau Lehmkuhl, wir benachrichtigen sofort die Polizei. Uns glaubt man. Bei Ihnen würden die vermuten, dass Sie einen menschlichen Schädel nicht von einem Tierschädel unterscheiden können. Kevin, du hast alles richtig gemacht.” Kevin strahlte mit der Sonne um die Wette.